Der neue Koalitionsvertrag:
Die Zukunft des Gesundheitswesens

“Mehr Fortschritt wagen. Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit.”

Unter diesem Titel wurde vergangene Woche der neue Koalitionsvertrag veröffentlicht. SPD, FDP und Grüne halten auf etwa 52.000 Wörtern fest, wie sie sich die kommenden vier Jahre für Deutschland vorstellen. Die wichtigsten Themen sind aufgeschrieben und auch die Ressortverteilung steht bereits fest. Selbstverständlich kommt auch das Thema Gesundheit nicht zu kurz. Aber vorab erstmal einen Blick auf die allgemeinen Themen und Inhalte, die in den letzten Wochen in der Sondierungs- und Koalitionsphase und in den letzten Tagen medial diskutiert wurden. Ganz vorne mit dabei ist die große Frage: Wer wird was? Die Ministerien sind verteilt, Grüne und SPD haben auch bereits ihre geplanten Besetzungen bekannt gegeben.


Die SPD stellt für folgende Bereiche eine Ministerin oder einen Minister:

🔴 Innenministerium - Nancy Faeser

🔴 Arbeit und Soziales - Hubertus Heil 

🔴 Verteidigung - Christine Lambrecht

🔴 Gesundheit - Carl Lauterbach

🔴 Bauen - Klara Geywitz 

🔴 Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung - Svenja Schulze

🔴 Chef des Bundeskanzleramts - Wolfgang Schmidt 


Bei Bündnis 90/Die Grünen stehen neben den Ressorts auch bereits die Ministerinnen bzw. Minister:

🟢 Auswärtiges Amt - Annalena Baerbock

🟢 Wirtschaft und Klimaschutz - Robert Habeck (auch Vizekanzler)

🟢 Familie, Senioren, Frauen und Jugend - Anne Spiegel

🟢 Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz - Steffi Lemke

🟢 Ernährung und Landwirtschaft - Cem Özdemir


Bei der FDP stehen ebenfalls bereits die Ministerien inkl. der dazugehörigen Ministerinnen bzw. Minister: 

🟡 Finanzen - Christian Lindner

🟡 Justiz - Marco Buschmann

🟡 Verkehr und Digitales - Volker Wissing

🟡 Bildung und Forschung - Bettina Stark-Watzinger

Koalitionsvertrag Gesundheitswesen 2021

Fotos: Andreas Chudowski / DER SPIEGEL; Dominik Butzmann / DER SPIEGEL; Urban Zintel / DER SPIEGEL; Hendrik Schmidt / picture alliance / dpa; Heike Rost / MKUEM; Bernd Weißbrod / picture alliance / dpa; Matthias Lüdecke / akg images; Michael Kappeler / picture alliance / dpa; Michael Kappeler / picture alliance / dpa; Torsten Sukrow / Sulupress.de / picture alliance

Quelle: Der Spiegel; Abbildung im manager magazin, 2021

Pflege und Gesundheit

Das Themenfeld “Gesundheit” findet im Koalitionsvertrag in Kapitel 4 unter dem Titel “Pflege und Gesundheit” Platz - neben den Themen “Arbeit”, “Sozialstaat, Altersvorsorge, Grundsicherung” und “Bauen und Wohnen”. Insgesamt ist auf knapp acht Seiten zusammengestellt, wie sich die neue Ampel-Koalition den Gesundheitsbereich in den kommenden vier Jahren (und darüber hinaus) vorstellt.

“Alle Menschen in Deutschland sollen gut versorgt und gepflegt werden – in der Stadt und auf dem Land. Wir wollen einen Aufbruch in eine moderne sektorenübergreifende Gesundheits- und Pflegepolitik und ziehen Lehren aus der Pandemie, die uns die Verletzlichkeit unseres Gesundheitswesens vor Augen geführt hat”

Mit diesen beiden Sätzen startet das Kapitel zum Thema Pflege und Gesundheit. Wie zu erwarten wird Bezug zur immer noch andauernden Corona-Pandemie genommen, die dazu geführt hat, dass die Herausforderungen des Gesundheitswesens gerade auch medial in den letzten Wochen und Monaten immer wieder beleuchtet wurden.

Digitalisierung im Gesundheitswesen: Das steht im Koalitionsvertrag

Der Koalitionsvertrag verspricht schon in der Präambel des Gesundheitskapitels Innovationen und die Digitalisierung voranzutreiben. Im Kapitel “Digitalisierung im Gesundheitswesen” geht es dann ganz konkret um Projekte, Gesetze und Vorhaben für die kommenden vier Jahre.

Das steht drin im Kapitel “Digitalisierung im Gesundheitswesen”

  1. Erweiterung telemedizinischer Leistungen

Telemedizinische Angebote (inkl. Heil- und Hilfsmittelverordnungen, Videosprechstunden und telenotärztliche Versorgung) sollen regelhaft ermöglicht werden.

  1. Ausbau der Telematikinfrastruktur

Alle Akteure sollen an die Telematikinfrastruktur angebunden werden. Die elektronische Patientenakte (ePA) und das E-Rezept stehen als Anwendungen im Vordergrund. Die Nutzung der ePA ist freiwillig auf einer opt-out Basis - was ein echter Gamechanger ist mit Blick auf bisherige opt-in Verfahren. 

  1.  Ausbau der gematik

Die gematik soll zu einer ganzheitlichen digitalen Gesundheitsagentur ausgebaut werden.

  1. Weiterentwicklung des Gesundheitsberuferegister

Das elektronische Gesundheitsberuferegister (eGBR) soll weiter auf- und ausgebaut werden. Auf Basis des eGBR sollen in Zukunft elektronische Heilberufs- und Berufsausweise (eHBA/eBA) ausgegeben werden, um sich sicher innerhalb der TI ausweisen zu können. Relevant ist das für rund zwei Millionen Personen aus mehr als 60 Gesundheits- und Pflegeberufen.

  1. Geplantes Register- und Gesundheitsdatennutzungsgesetz

Eine dezentrale Forschungsdateninfrastruktur soll aufgebaut werden. Gesundheitsdaten sollen wissenschaftlich besser - in Einklang mit der DSGVO - genutzt werden können.

  1. SGB-V Anpassung bzgl. technischen Fortschritts

Mehr Zeit bei den Patienten und weniger Zeit hinter Aktenbergen. Diese zentrale Forderung vieler Akteure im Gesundheitswesen wird hier aufgegriffen. Bestehende Bürokratie soll abgebaut werden und Prozesse sollen schneller und effizienter werden. Eine gute Versorgung von Patienten soll nicht mehr durch unnötige Dokumentationspflichten behindert werden.

Eins wird klar: Die neue Regierung hat viele ambitionierte Vorhaben, die jedoch an mehreren Stellen noch unklar sind (bspw. mit Blick auf Zuständigkeiten oder die konkrete Ausgestaltung). Gerade der Ausbau der Telematikinfrastruktur, ihrer Anwendungen und Nutzergruppen wird sich sicherlich schon bald im Tagesgeschäft von Heil- und Hilfsmittelerbringern, Hebammen und in der Pflege bemerkbar machen.

Pflege und Gesundheit: 
10 Schwerpunktthemen für die neue Regierung

Neben dem Thema Digitalisierung im Gesundheitswesen gibt es im Koalitionsvertrag zehn weitere Unterkapitel, die jeweils einzelne Bereiche und Themen genauer beleuchten. Wir stellen die wichtigsten Punkte aus jedem Bereich hier kurz vor. Wichtig vorab: Es werden nicht alle Punkte der einzelnen Themenbereiche vorgestellt, da aufgrund der Fülle des Koalitionsvertrags hier immer nur ein Ausschnitt gezeigt werden kann. Weitere Details gibt es zum Nachlesen selbstverständlich im verlinkten Koalitionsvertrag.


Pflege

Als Anerkennung der Leistungen während der Corona-Pandemie werden eine Milliarde Euro als Pflegebonus bereitgestellt. Die Steuerfreiheit des Pflegebonus wird auf 3.000 Euro angehoben. 

Die Eigenanteile in der stationären Pflege werden begrenzt und planbar gemacht. Um die pflegerische Versorgung vor Ort zu verbessern wird das SGB XI um innovative quartiernahe Wohnformen ergänzt, die gemeinsam mit Bund, Ländern und Kommunen gefördert werden sollen.

Das Pflegegeld wird ab 2022 regelhaft dynamisiert und es wird erarbeitet, inwiefern die Pflegeversicherung um eine freiwillige, paritätisch finanzierte Vollversicherung ergänzt werden kann, damit Pflegekosten vollständig abgesichert sind.

Besonders die Beschwerden über die schwierigen Bedingungen in der Pflege wurden während der Pandemie nochmal stärker - und lauter. Daher wird hier im Koalitionsvertrag explizit wie folgt Stellung genommen: “Der Dramatik der Situation in der Pflege begegnen wir mit Maßnahmen, die schnell und spürbar die Arbeitsbedingungen verbessern.” Es ist die Rede von einer verbindlichen Personalbemessung im Krankenhaus, der Verbesserung von Löhnen und Arbeitsbedingungen von Pflegekräften oder dem “attraktiv-machen” des Berufsfeldes mit Steueranreizen und weiteren Mechanismen. 

Auch im Bereich der Aus- und Weiterbildung soll sich einiges tun: Ausbildungen sollen harmonisiert werden, in Zusammenarbeit mit den Ländern soll die Akademisierung der Pflege voranschreiten, es solle eine Ausbildungsvergütung für alle geben und das neue Berufsbild der „Community Health Nurse“ soll geschaffen werden. Mit Blick auf den steigenden Fachkräftemangel sollen ausländische Fachkräfte schneller und einfacher gewonnen werden können und auch im Ausland erworbene Abschlüsse sollen schneller und einfacher anerkannt werden.

Im Kontext der Digitalisierung des Gesundheitswesens und der Telematikinfrastruktur besonders spannend: Das allgemeine Heilberufegesetz soll auf den Weg gebracht werden und das elektronische Gesundheitsberuferegister weiterentwickelt werden. Letzteres ermöglicht es bspw. Heil- und Hilfsmittelerbringern, Pflegern oder auch Hebammen sich innerhalb der TI zu identifizieren und zu vernetzen.

Nicht zuletzt heißt es: “Wir stärken den Deutschen Pflegerat als Stimme der Pflege im Gemeinsamen Bundesausschuss und anderen Gremien und unterstützen ihn finanziell bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben.”


Aus- und Weiterbildung

Auch hier findet sich das Thema Digitalisierung wieder: Digitale Kompetenzen sollen fest in die Aus- und Weiterbildungen der Gesundheits- und Pflegeberufe integriert werden. Die Approbationsordnung wird mehr auf Digitalisierung, Ambulantisierung, Spezialisierung, Individualisierung und berufsgruppenübergreifende Kooperation ausgerichtet - alles Themen, die wir bereits aus dem Grundgerüst der Telematikinfrastruktur kennen.


Öffentlicher Gesundheitsdienst

Eine der Lehren der Corona-Zeit: Es braucht einen gestärkten Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD). “Long-Covid” soll weiter untersucht werden in einem deutschlandweiten Netzwerk von Kompetenzzentren und interdisziplinären Ambulanzen. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) geht in einem Bundesinstitut für öffentliche Gesundheit am Bundesministerium für Gesundheit auf.


Gesundheitsförderung

Das Präventionsgesetz wird weiterentwickelt und Primär- und Sekundärpräventionen werden gestärkt. Es wird ein nationaler Präventionsplan geschaffen, z.B. zu den Themen Diabetes, Einsamkeit, Suizid oder der Wiederbelebung und Vorbeugung von klima- und umweltbedingten Gesundheitsschäden.


Ambulante und stationäre Gesundheitsversorgung

Eine wohnortnahe, bedarfsgerechte, ambulante und kurzstationäre Versorgung soll durch multiprofessionelle und integrierte Gesundheits- und Notfallzentren sichergestellt werden können. Innovative Versorgungsformen (wie bevölkerungsbezogene Gesundheitsregionen) sollen weiter gestärkt werden. Gemeinsam mit den Ländern soll eine sektorübergreifende Versorgungsplanung für die ambulante und stationäre Krankenhausplanung aufgebaut werden. Besonders der ländliche (unterversorgte) Raum soll mehr Angebote bekommen, um auch hier eine adäquate und hochwertige Versorgung sicherstellen zu können. Die Notfallversorgung soll in integrierten Notfallzentren erfolgen. Das „Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken“ wird novelliert und eine bundesweite Aufklärungskampagne zur Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen soll gestartet werden.

Achtung Hebammen: Das nationale Gesundheitsziel „Gesundheit rund um die Geburt“ soll mit einem Aktionsplan umgesetzt werden, der einen Personalschlüssel für eine 1:1-Betreuung durch Hebammen während wesentlicher Phasen der Geburt sicherstellt. Der Ausbau hebammengeleiteter Kreißsäle soll gestärkt werden. Außerdem sollen die Möglichkeiten und die Vergütung zur ambulanten, aufsuchenden Geburtsvor- und -nachsorge für angestellte Hebammen an Kliniken geschaffen werden.


Krankenhausplanung und -finanzierung

Mit einem Bund-Länder-Pakt werden Reformen für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung auf den Weg gebracht - erarbeitet von einer kurzfristig eingesetzten Regierungskommission.


Rechte von Patientinnen und Patienten

Achtung an alle: Der G-BA (Gemeinsamer Bundesausschuss) wird reformiert, um Patientenvertretungen, der Pflege und anderen Gesundheitsberufen ein weiteres Mitspracherecht einzuräumen.

Die Unabhängige Patientenberatung (UPD) wird in eine dauerhafte, staatsferne und unabhängige Struktur überführt. Patienten werden darüber hinaus stärker bei Behandlungsfehlern gestärkt.


Versorgung mit Arzneimitteln und Impfstoffen

Die Versorgung mit innovativen Arzneimitteln und Impfstoffen soll sichergestellt werden; die Produktion dieser soll zurück nach Deutschland und in die EU verlagert werden. Auch hier soll weiter Bürokratie abgebaut werden. 


Drogenpolitik

Die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften wird eingeführt. Die Regelungen für Marketing und Sponsoring bei Alkohol, Nikotin und Cannabis werden weiter verschärft. 


Gesundheitsfinanzierung

Eine stabile und verlässliche Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) soll sichergestellt werden. Für gesetzliche Krankenkassen sollen einheitliche Mindestkriterien hinsichtlich ihrer Service- und Versorgungsqualität gelten und offengelegt werden. Für Präventionsprogramme können monetäre Boni an Versicherte gezahlt werden. Das Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (AMNOG) wird weiterentwickelt, das bestehende Preismoratorium wird beibehalten.

Das war’s: Die wichtigsten Punkte und Themen aus dem Bereich “Pflege und Gesundheit” des neuen Koalitionsvertrags.

Ganz schön viel? Keine Sorge: Wir begleiten die Themen selbstverständlich aktiv weiter und halten euch auf dem Laufenden, was es Neues gibt.

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