06.09.2024
Laurell Moten (Physiotherapeut & Praxisexperte)
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Videotherapie in der Physiotherapie: Regeln, Kosten & Erstattung


Laurell Moten (Physiotherapeut & Praxisexperte)
06.09.2024

Seit April 2022 ist die Videotherapie (offiziell: telemedizinische Leistungen) auch fester Bestandteil des GKV-Rahmenvertrags Physiotherapie – sie gehört seitdem zur Regelversorgung der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV).

Mit der Teletherapie haben die Vertragspartner (GKV und Physio-Verbände) einen wichtigen Teil des Digitale-Versorgung-und-Pflege-Modernisierungs-Gesetzes(DVPMG) erfüllt.

Ab dem 01.01.2025 werden zudem spezielle Soft- und Hardware-Pauschalen für Physiotherapiepraxen in Kraft treten, mit denen die Anschaffungskosten für die Umsetzung der Videotherapie refinanziert werden sollen. 

Im Artikel erfährst du, welche Vorteile die Teletherapie deiner Praxis und gesetzlich Versicherten bringen, welche Regeln dabei gelten, wie auch Privatpatient:innen von Videotherapie profitieren und welche Kosten-Erstattungen (Software & Hardware-Pauschalen) ab 2025 gelten.


[1] Die Vorteile der Videotherapie in der Physiotheraie

Bei vielen physiotherapeutischen Diagnosen ist die persönliche Versorgung natürlich weiterhin therapeutischer Standard. 

Zum Erreichen der Therapieziele sind Hands-on-Behandlungen, der Einsatz bestimmter Therapiemittel und -Geräte sowie der persönliche Kontakt zur Befundung unabdingbar – das spiegelt sich auch in den Durchführungsregeln der GKV wider. 

Dennoch können du und auch deine gesetzlich-versicherten Patient:innen von einigen Vorteilen der Videotherapie profitieren.

Spontane Terminausfälle auffangen.

Das Auto geht kaputt oder die öffentlichen Verkehrsmittel fallen aus, ein erkranktes Kind muss zu Hause betreut werden oder die Patientin/der Patient selbst fühlt sich infektiös und möchte niemanden anstecken – für spontane Absagen gibt es etliche Gründe. 

Anstatt die wichtige Behandlung vollständig ausfallen zu lassen und damit das Therapieziel zu verzögern, könnt ihr auch spontan zur Versorgung per Videotherapie wechseln.

Therapieerfolge steigern

Bei der Therapie in der Praxis läuft alles reibungslos und Patient:innen fühlen sich danach besser. Kaum beschreiten sie ihren Alltag zu Hause, kommt es zu Rückfällen. Bei der Videotherapie kannst du den Ursachen dieses Phänomens gemeinsam mit ihnen auf den Grund gehen.

Eigenverantwortung der Patient:innen erhöhen

Bei digitaler Physiotherapie spielt das proaktive Mitwirken von Patient:innen meist eine größere Rolle als bei der Therapie in der Praxis.

Es steigert das Selbstvertrauen und die Selbstwirksamkeit, wenn Patient:innen sich mit deiner digitalen Unterstützung selbstständig helfen können. 

Die Motivation zu Eigenübungen zwischen den Behandlungen kann dadurch zusätzlich gesteigert werden.

Aufwand für Patient:innen mindern

Nicht alle Menschen haben das Privileg, in der Nähe deiner Physiotherapiepraxis zu wohnen. Vor allem, wenn sie Therapie durch besonders spezialisierte Therapeut:innen benötigen, nehmen viele Patient:innen zeit- und kostenintensive Anfahrten auf sich. 

Dieser Aufwand kann durch die Durchführung einiger Behandlungen per Videotherapie gemindert werden. 

Fahrzeiten und Aufwand für Hausbesuche minimieren

Auch du und dein Team nehmt für die Versorgung einiger Patient:innen weite Fahrten auf euch – der Aufwand übersteigt dann häufig die pauschale Vergütung für Hausbesuche.

Wenn ein paar der Behandlungen als telemedizinische Leistung durchgeführt werden können, kann das eine deutliche Entlastung schaffen.

Statt im Auto zu sitzen, können Therapeut:innen telemedizinisch behandeln und somit mehr Patient:innen mit wertvoller Therapie versorgen.

Ungeplante Therapiepausen vermeiden

Die Patientin/der Patient muss spontan auf Dienstreise oder hat einen längeren Urlaub geplant? Normalerweise würde das eine nicht therapeutisch angesetzte Therapiepause und damit einhergehend die Verzögerung der Therapieerfolge bedeuten. 

Mit der Durchführung von für Patient:innen ortsunabhängiger Videotherapie können solche Umstände überbrückt werden.

GKV-Regeln für die Teletherapie in der Physiotherapie

Das musst du bei der Videotherapie beachten, damit deine Leistung bei der Abrechnung in der Physiotherapie auch anerkannt wird:

1️⃣ Videotherapie muss nicht besonders verordnet werden

Jedoch können verordnende Ärzt:innen sie aus medizinischen Gründen ausschließen, indem sie auf der Heilmittelverordnung im Feld „Therapieziele/weitere med. Befunde und Hinweise“ eine Anmerkung dazu hinterlassen. Der Ausschluss kann nur nach ärztlicher Rücksprache aufgehoben und auf der Verordnung korrigiert werden.

2️⃣ Die erste Einheit jeder Verordnung findet vor Ort statt

Die erste Einheit muss in Präsenz in der Praxis stattfinden, um die folgenden Voraussetzungen abzuklären:

  • Patient:innen sind körperlich sowie psychisch in der Lage und verfügen über ausreichend Medienkompetenz, um an telemedizinischen Leistungen teilzunehmen. Wenn nötig, werden sie dabei durch eine Betreuungsperson unterstützt
  • Notwendige technische Voraussetzungen (videofähiges Endgerät und stabile Internetverbindung) können erfüllt und die Videotherapie in einer störungsfreien Umgebung durchgeführt werden
  • Das Erreichen des angestrebten Therapieziels kann auch durch Videotherapie gewährleistet werden
  • Nach erfolgter Aufklärung willigen Patient:innen schriftlich zur Durchführung von Videotherapie ein (z. B. im Behandlungsvertrag) – das darf keine Voraussetzung zur Annahme der Verordnung sein

3️⃣ Wechsel in die Präsenz muss immer möglich sein

Ein gewünschter oder therapeutisch notwendiger Wechsel in die Präsenztherapie muss jederzeit möglich sein. Darum müssen Therapeut:innen auch die Videotherapie in den Praxisräumen durchführen.

4️⃣ Nur bestimmte Heilmittel sind möglich

Es dürfen nur bestimmte Heilmittel in bestimmten Mengen je Verordnung als Videotherapie der Physiotherapie durchgeführt werden.

Bei der Abrechnung werden die gesonderten Positionsnummern für die jeweilige telemedizinische Leistung angegeben.

Videotherapie bei GKV-Verordnungen – Mögliche Heilmittel und Durchführungsmenge:

Übersicht über die Heilmittel in der Physiotherapie, die als Videotherapie und Teletherapie abgegeben werden dürfen

Bis zu 50 % der verordneten Einheiten dürfen telemedizinisch durchgeführt werden:

  • KG Einzelbehandlung (X0521)
  • KG Gruppenbehandlung (X0621)
  • KG-Muko (X0722) 

Bis zu drei der verordnenden Einheiten dürfen telemedizinisch durchgeführt werden:

  • KG ZNS-Kinder nach Bobath
  • KG ZNS-Erwachsene nach Bobath

Eine der verordnenden Einheiten darf telemedizinisch durchgeführt werden:

  • Manuelle Therapie als Einzelbehandlung (X1221)

5️⃣ Datenschutz auch bei Gruppentherapie gewährleisten

  • Therapeut:innen führen Videotherapie ausschließlich in den zugelassenen Praxisräumen durch
  • Aufzeichnungen der Behandlung zu Dokumentationszwecken dürfen nur gemacht werden, wenn Patient:innen ihre Einwilligung dafür gegeben haben
  • Bei Gruppentherapien müssen alle Anwesenden der Bildteilung digital zustimmen und sollen bei der ersten Behandlungseinheit einander vorgestellt werden

6️⃣ Kürzel auf der Rückseite der Verordnung eintragen

Bei der Behandlungsbestätigung auf der Rückseite der Heilmittelverordnung wird immer das Kürzel „TM“ für telemedizinische Leistung im Unterschriftenfeld angegeben.

Für die Bestätigung der Patient:innen stehen drei Möglichkeiten zur Verfügung:

  1. Digitale Bestätigung per E-Mail oder Fax im Anschluss an die Behandlung
  2. Bestätigung mittels eines PDF-Nachweises des Videodienstanbieters
  3. Nachträgliche, persönliche Unterschrift beim nächsten Präsenztermin

7️⃣ Zertifizierten Videodienstanbieter nutzen

Hier findest du GKV-zertifizierte Videodienstanbieter

Mehr Flexibilität bei Privatpatienten und Selbstzahlern

Zugegeben, die Regeln der gesetzlichen Krankenkasse schränken die Möglichkeiten der Physiotherapie per Video für Patient:innen mit GKV-Heilmittelverordnung doch etwas ein. 

Für Privatpatient:innen und Selbstzahler gelten diese aber nicht. Für sie kannst du mit telemedizinischen Leistungen ein besonderes und digitales Angebot (ohne Einschränkungen) bieten – hier ein paar Beispiele:

  • Während einer privaten telemedizinischen Beratung kannst du Patient:innen zu ärztlichen Befunden, dem Einsatz von Hilfsmitteln, gezielten Eigenübungen, Anpassung ihres Trainingsplans, Verbesserung der Arbeitsplatzergonomie und Optimierung der Allgemeinversorgung aufklären
  • In Videosprechstunden kannst du Menschen mit akuten Problemen Unterstützung zur schnellen Selbsthilfe liefern und damit ggf. sogar Arztterminen mit langen Wartezeiten vorbeugen oder die Zeit bis zum Termin in deiner Praxis überbrücken
  • Mit Fernbehandlungen als Videotherapie ermöglichst du Patient:innen deutschlandweit von deiner Expertise zu profitieren und kannst regionale Versorgungslücke schließen. Besonders, wenn du dich auf eine eher seltene Therapieform spezialisiert hast
  • Durch physiotherapeutische Gruppen-Kurse als digitales Gesundheitsangebot kannst du Menschen bei der Steigerung ihres persönlichen Wohlbefindens unterstützen (beispielsweise mit Yoga, Beckenbodentraining oder gezielter Fußgymnastik)
  • Mit Videotherapie als private Folgebehandlung zur GKV-Versorgung können Therapieerfolge gehalten und ggf. sogar weiter gesteigert werden, indem du Patient:innen regelmäßig bei ihren Eigenübungen beraten und unterstützen kannst

Homeoffice: Bei der Durchführung von telemedizinischen Leistungen für Selbstzahler musst du nicht zwangsläufig in den Praxisräumen sein. So ist „Homeoffice“ zumindest gelegentlich auch für dich möglich.

Preise: Du bestimmst die Preise deiner digitalen Privatleistungen selbst. Da wir im Jahr 2024 im „Zeitalter der Wellness und Gesundheit“ leben, sind viele Menschen bereit, angemessen für eine professionelle und moderne therapeutische Onlinetherapie zu zahlen. 

Einstieg in die Physio-Videotherapie: 3 Schritt sind entscheidend


[1] Praxis mit Soft- und Hardware ausstatten

  • Software: Für die Videotherapie von GKV-Patient:innen benötigst du ein Programm eines zertifizierten Videodienstanbieters. Der Einsatz macht aber auch für dein telemedizinisches Angebot für Privatpat:innen Sinn, weil Datenschutzeinhaltung, Funktionsumfang und die Möglichkeit der asynchronen Kommunikation (im Vergleich zu regulären Anbietern) speziell darauf ausgelegt sind. 
  • Hardware: Du benötigst ein internetfähiges Endgerät – idealerweise einen Laptop, an den du auch eine Webcam mit ausreichender Bildqualität anschließen kannst. Zudem kann ein Bluetooth-Headset für eine optimale Tonübertragung notwendig sein. 

Für Beratungen, bei denen deine räumliche Flexibilität und Sichtbarkeit nicht von großer Wichtigkeit sind, reicht auch ein Tablett oder Smartphone aus.

Wenn du Videotherapie mit gesetzlich-versicherten Patient:innen durchführst, kannst du deine Anschaffungskosten pauschal durch die GKV refinanzieren lassen.

[2] Therapie & Privatangebot an Videotherapie anpassen

Du solltest deine zuvor durchgeführte Therapie nich 1:1 in den Rahmen der Videotherapie zu zwängen. 

Viel mehr solltest du deine therapeutische Expertise und Kreativität einsetzen, um ein neues und ergänzendes Angebot zu schaffen. 

Bedenke dabei, dass auch die Beratung und Unterstützung zu Eigenübungen wichtige und wertvolle Faktoren der Physiotherapie sind.

Frage dich, welche Übungen, welches Training oder welche Beratung bei welcher Diagnose besonders sinnvoll sind. Erstelle spezielle „Hausaufgaben“-Pläne für Videotherapie-Patient:innen und binde die private Umgebung mit ins Training ein.

Mittlerweile gibt es zudem einige Fortbildungs-Anbieter und fachliche Lektüre, die dich beim Neu-Denken deiner digitalen Therapie inspirieren können.

[3] Werbung machen

Viele Menschen wissen gar nicht, dass sie deine Unterstützung und Versorgung auch per Videotherapie in Anspruch nehmen können.

Spreche es also während der Therapieplanung offen an, wenn du davon ausgehst, dass sie für die Teilnahme an telemedizinischen Leistungen geeignet sind. 

Wenn vorhanden, mache auch dein digitales Privat-Angebot auf deiner Website und durch einen Aushang in deiner Praxis publik. 

Sobald GKV-Versicherte ihr Einverständnis geben oder Privatpatientinnen dein Angebot in Anspruch nehmen möchten, kann es losgehen. Mit jeder digitalen Therapieeinheit wirst du mehr Sicherheit und Erfahrung sammeln. 


Kosten-Erstattung ab 2025

Anfang September 2024 haben die Physiotherapie-Verbände gemeldet, dass sie sich mit der GKV auf einen pauschalen Finanzierungszuschuss für die Durchführung von telemedizinischen Leistungen geeinigt haben. 

Demnach können Physiotherapeut:innen folgende Pauschalen über das GKV-Antragsportal beantragen:

  1. Hardware-Pauschale in Höhe von 950 €
    • Jeweils einmal jährlich für die Jahre 2025, 2026 und 2027 - der Antrag kann also bis zu dreimal gestellt werden. 
    • Zur Beschaffung geeigneter Hardware sowie deren Wartung und Reparatur (z. B. Tablet, Laptop, Kamera für den PC).
  2. Software-Pauschal in Höhe von 300 € 
    • Jeweils einmal jährlich für die Jahre 2025, 2026, 2027 und 2028 - der Antrag kann also bis zu viermal gestellt werden.
    • Für die Anschaffung und den Betrieb einer geeigneten Software von einem der zugelassenen Videodienstanbieter.

💡 Eine rückwirkende Kostenerstattung für vorherige Jahre ist nicht möglich.

💡 Pauschale bedeutet hier, dass nicht deine tatsächlichen jährlichen Kosten erstattet werden. Du erhältst grundsätzlich nicht mehr (und nicht weniger) als die vereinbarten jährlichen Beträge – unabhängig davon, ob deine tatsächlichen Ausgaben unter oder über dieser Summe liegen.


Zwei Voraussetzungen zur GKV-Refinanzierung der Videotherapie
  1. Im Antragsjahr sind tatsächlich Kosten für die Durchführung von Videotherapie entstanden. Es muss mindestens eine Rechnung für die Kosten einer zertifizierten Software oder die Anschaffung von Hardware wie Tablet, Laptop, Kamera, Mikrofon, Kopfhörer oder andere notwendige Hardwarekomponenten aus dem jeweiligen Jahr vorliegen. 
  2. Im Beantragungszeitraum wurde mindestens eine telemedizinische Leistung im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung durchgeführt und abgerechnet.

Beantragung und Auszahlung der Videotherapie-Pauschalen

Die Beantragung beider Pauschalen kann je zugelassener Praxis einmal jährlich bis Jahresende über das GKV-Antragsportal mittels der Praxis-IK erfolgen.

Dabei müssen keine Rechnungen als Nachweis hinterlegt werden. Sie müssen aber unbedingt vorhanden sein und dem GKV-Spitzenverband auf nachträgliche Anfrage zeitnah vorgelegt werden können. 

  • Der ist im Rahmen des sogenannten Stichprobenverfahrens zu dieser Art Prüfung berechtigt. Sollte keine Rechnung vorgelegt und/oder keine telemedizinische Leistung im Antragsjahr abgerechnet worden sein, darf die GKV eine bereits ausgezahlte Pauschale zurückfordern.

Die Auszahlung der Pauschalen wird vom GKV-Spitzenverband quartalsweise bearbeitet. Es kann also etwas dauern, bis das Geld auf das Bankkonto hinter der IK überwiesen wird. Spätestens am Ende des Folgequartals nach deinem Antrag sollte die Auszahlung aber auf dem Bankkonto eingegangen sein.

Wer hier für dich schreibt

Laurell Moten (Physiotherapeut & Praxisexperte)

Als Physiotherapeut mit langjähriger Praxiserfahrung weiß Laurell Moten, worauf es bei richtig guter Therapie ankommt. Seine Erfahrung gibt er in Expertenbeiträgen und in individuellen Beratungen von Praxen weiter.

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