So kalkulierst du deinen Umsatz [mit Rechenbeispielen]


Mathias Gans (Ergotherapeut & Unternehmensberater)
17.04.2024

So kalkulierst du deinen Umsatz [mit Rechenbeispielen]


Mathias Gans (Ergotherapeut & Unternehmensberater)

Wie viel Umsatz kann eine angestellte Therapeutin oder ein Therapeut erwirtschaften und wovon ist dieser abhängig?

Die Antworten auf diese zwei Fragen bilden die Grundlage für die finanzielle Kalkulation jeder therapeutischen Praxis – zumindest für die Seite der Einnahmen.

Deshalb macht es Sinn sich mit der Berechnung des Umsatzpotentials deiner Therapeut:innen zu beschäftigen. 

Denn darauf kannst du den möglichen Gesamtumsatz deiner Praxis ermitteln und der verrät dir, mit welchen Einnahmen du voraussichtlich wirtschaften kannst.

Und das ist einfacher, als du glaubst! Unser Experte Mathias Gans ist Betriebswirt, Unternehmensberater, selbst zweifacher Praxisinhaber und zeigt dir in diesem Artikel, wie es geht.

Redaktioneller Hinweis: Dieser Artikel ist mit Daten- und Beispielen für Physiotherapiepraxen geschrieben, das Vorgehen lässt sich aber 1:1 auch für Heilmittelpraxen der Logopädie, Ergotherapie und Podologie umsetzten.

Umsatzpotenzial ermitteln: diese 3 Fragen sind entscheidend

  1. Vielviele Stunden arbeitet ein:e Therapeut:in jährlich, wenn sie/er 40 h pro Woche (Vollzeit) tätig ist?
  2. In welcher Zeit der jährlichen Stunden generiert sie/er direkt Umsatz?
  3. Wie hoch ist der Umsatz pro Stunde durchschnittlich?

Eine erste Beispielrechnung für eine Vollzeit-Therapeut:in:

  • 1600 h jährliche Arbeitszeit
  • 85% dieser Zeit wird Umsatz generiert
  • 82 € beträgt der durchschnittliche Umsatz pro Stunde
  • = 1600h * 85 % * 82 € = 111.520 € jährliches Umsatzpotenzial

Bei Teilzeitkräften deiner Praxis ändert sich diese Berechnung nicht. Dafür nimmst du einfach den prozentualen Anteil einer Vollzeitstelle. Beispiel: Bei 20h sind es 50% des Umsatzes einer Vollzeitkraft.

Ist es wirklich so einfach? Im Grunde schon. Weil es aber nur diese 3 relevanten Variablen sind, müssen diese möglichst genau ermittelt werden. Was dann im Alltag doch nicht ganz so einfach ist.

Deshalb beleuchten wir die einzelnen Fragen jetzt noch einmal genauer.

1️⃣ Durchschnittliche Arbeitsstunden pro Jahr ermitteln

Um die Jahresarbeitsstunden zu ermitteln muss errechnet werden, wie viele Wochen die Therapeutin oder der Therapeut in der Regel jährlich arbeitet bzw. wann nicht gearbeitet wird.

Tage, an denen angestellte Therapeut:innen nicht arbeiten:

Feiertage

  • ca. 2 Wochen/Jahr          
  • = 10 Arbeitstage

Urlaubstage                    

  •  5 - 6 Wochen/Jahr          
  • = 25 - 30 Arbeitstage

Krankheitstage           

  •  Ø 3 Wochen/Jahr          
  • = 15 Arbeitstage

Fortbildungstage         

  •  ca. 1 Woche/Jahr          
  •  = 0 - 5 Arbeitstage

Daraus ergibt sich eine Gesamtmenge von 11 bis 12 Wochen jährlich, in denen Angestellte Therapeut:innen jeweils nicht arbeiten.

Auf einen Blick: Netto-Arbeitszeit pro Therapeut & Jahr 

Zieht man diese Wochen von den 52 Jahreswochen ab, so ergeben sich realistisch 40 bis 41 Wochen im Jahr, in denen Angestellte tatsächlich arbeiten. 

Dies multipliziert mit der durchschnittlichen Arbeitsstundenzahl pro Woche ergibt die durchschnittlichen Jahresarbeitsstunden von Angestellten:

40,5 Arbeitswochen * 40 Wochenstunden = 1.620 Jahrarbeitsstunden

Beachte:

  • Die Urlaubs- und Fortbildungstage sind dabei eindeutig zu ermitteln. 
  • Bei den Feiertagen kannst du in der Regel von 2 Wochen pro Jahr (10 Tagen) ausgehen. Auch wenn dies in jedem Bundesland und von Jahr zu Jahr etwas anders ist: Je nachdem wie viele Feiertage auf Werktage fallen. So ist hier die Kalkulation mit 2 Wochen ausreichend genau.
  • Bezüglich der Krankheitstage bedarf es einer individuellen Betrachtung deine Praxis. Der Wert von 15 Tagen ist ein realistischer Durchschnittswert. Sind deine Mitarbeiter:innen durchschnittlich mehr oder weniger Tage krank, so musst du diesen Wert entsprechend anpassen.

2️⃣ Arbeitszeit mit direktem Umsatz ermitteln

Stelle dir eine Therapeutin mit einer 40 Stunden Arbeitswoche vor. Sie arbeitet Montag bis Freitag jeweils 8 Stunden – Pausen sind hier nicht enthalten, da diese nicht Teil der Arbeitszeit sind.

In diesen 8 Stunden macht sie in der Regel nicht die gesamte Zeit über Umsatz, weil sie auch Tätigkeiten durchführt, die nicht direkt Einnahmen erwirtschaften. Demnach ist die Arbeitszeit nicht gleichzusetzen mit der Umsatzzeit.

Direkte Umsatzzeit vs. notwendige Arbeiten

Mit „direkter Umsatzzeit“ ist die Zeit gemeint, in der Therapeut:innen Dienstleitung erbringen, die die Praxis abrechnet bzw. verkauft. Das sind beispielsweise:

  • Einzel- und Gruppentherapien
  • Kurse und individuelle Beratungen
  • Betreuung des Gerätebereichs
  • Fahrtzeit zum Hausbesuch (so weit nicht der erste oder letzte Weg am Arbeitstag).

Demgegenüber stehen notwendige Arbeiten, die Therapeut:innen leisten, um die obigen Dienstleistungen zu erbringen bzw. die nicht zu verhindern sind. Hierzu zählen etwa:

  • Vor- und Nachbereitung der Therapie - ggf. auch bei Arbeitsbeginn und -ende
  • Arztberichte - soweit sie nicht während der Therapie erfasst werden
  • Team-Besprechungen
  • bewusst eingeplante "Pufferzeiten"
  • Termin-Ausfälle, die nicht mit anderen Patient:innen (Dienstleistungen) belegt werden können und für welche keine Ausfallrechnung gestellt wird – diese würde den Umsatzverlust ausgleichen.
  • "Verschnitt-Zeiten" – wenn etwas eine 30 Minuten Lücke mit eine Therapie á 20 Min. belegt wird
  • Leerzeiten - weil keine Patienten geplant sind (Sollte langfristig vermieden werden)
  • Etc. …

Für deine eigene Praxis gilt es zu ermitteln, wie die prozentuale Verteilung zwischen der Umsatzzeit zur Nicht-Umsatzzeit ist.

Erfahrungswerte der Branche besagen, dass Prozentsätze zwischen 80% und 90%, gegebenenfalls 95%, realistisch sind. Wobei dies unter anderem auch vor deiner individuellen Praxisorganisation und Unternehmensphilosophie abhängt.

🔧 Stellschraube "Umsatzzeit"

Der prozentuale Anteil der Umsatzzeit ist in Therapiepraxen eine wirtschaftlich sehr wichtige Variable. Du solltest dir ihrer Bedeutung bewusst sein – sie vorgeben, steuern und kontrollieren!

Denn: Je höher und stabiler die Umsatzzeit jeder und jedes Angestellten, desto besser der Umsatz der Praxis.

Experten-Tipp: Ist diese Fragestellung völlig neu für dich, kannst du dafür eine z. B. vierwöchige Erhebungsphase machen. Gegebenenfalls holst du dir dazu auch externe fachliche Unterstützung durch eine Unternehmensberatung.


3️⃣ Durchschnittlichen Umsatz pro Stunde ermitteln

Stelle dir wieder einen normalen Arbeitstag der Therapeutin von oben im Text vor.

Wenn du Ihren durchschnittlichen Umsatz pro Stunde ermitteln willst, musst du wissen, was du in dieser Zeit wem zu welchem Preis und wie oft verkaufst. Hier findest du die Preislisten für Physiotherapie und für Ergotherapie.

Beispielsweise eine manuelle Therapie der GKV für 33,39 €, eine Lymphdrainage (45 Min.) für Privatpatienten für 66 €, etc … 

Auch das kannst du mithilfe einer Stichprobe über einen gewissen Zeitraum ermitteln – oder du nutzt die Auswertungen und Statistiken deiner Praxissoftware für Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie oder Podologie dafür.

Experten-Tipp: Ähnlich wie beim vorherigen Punkt, kannst du dir auch hier bei Bedarf einfache kompetente Unterstützung holen. Diese Form der Beratung muss nicht umfangreich sein und sollte in der Regel nicht mehr als 500 € kosten.

Eine erste Orientierung kannst du dir aber selbst erarbeiten. Folgendes Beispiel zeigt, wie das geht.

Beispielrechnung: Umsatz pro Stunde

Schritt 1 - Hauptleistungen ermitteln:

  • In der Regel verkauft eine physiotherapeutische Praxis ohne besonderen Schwerpunkt meist 90% Einzeltherapien der gesetzlichen Krankenkassen.
  • Dabei sind die Leistungen häufig wie folgt aufgeteilt: 25 - 40% KG; 25 -50% MT, 10% - 20% Massage; 10% -20% Lymphdrainage und 5% -10% Sonstiges.
  • Verfügt die Praxis über eine Therapiefläche mit Geräten, so kommen die Umsätze dieser dazu.
  • Zudem finden im Bundesdurchschnitt etwa 10% der Behandlungen für Privatpatienten statt.

Wenn du den Anteil dieser "Hauptleistungen" überschlägst und dabei deine Privatpreise berücksichtigst, so kannst du den Umsatz pro Stunde schon mit einer Genauigkeit von 80% - 90% ermitteln.

Schritt 2 – Stundenumsatz anhand der Hauptleistungen überschlagen

Die Physio-Musterpraxis verkauft (erbringt) durchschnittlich folgende Leistungen zu den angegebenen Preisen.

Screenshot einer Excel-Tabelle, die den Umsatz pro Stunde je Therapeut berechnet

Du hast Interesse an der gezeigten Exceltabelle? Melde dich bei Mathias Gans und er stellt sie dir kostenlos zur Verfügung. Kontaktdaten siehe Autoren-Beschreibung.

Unter Berücksichtigung der angegebenen Verteilung der verschiedenen Dienstleistungen und mit 10% Privatpatienten ergibt sich ein durchschnittlicher Umsatz von 87,10 € pro Stunde (GKV-Preise mit Stand vom 01.01.24).

🔧 Stellschraube „Behandlungszeit“

Im obigen Beispiel wurde für die Maßnahmen Massage, KG und MT eine Behandlungszeit von 20 Minuten geplant. Bei einer Behandlungslänge von 25 Minuten würde sich der durchschnittliche Umsatz auf 71,80 € reduzieren. Die Behandlungslänge ist damit die zweiten wirtschaftlich sehr wichtige Variable einer therapeutischen Praxis.

Bei einer solchen Überschlagsrechnung müssen Praxen folgendes beachten:

  • nicht berücksichtigt ist der Umsatz durch Passivleistungen (z.B. Fango) – sie erhöhen in der Regel den durchschnittlichen Umsatz.
  • bezahlte Fahrtzeit zu Physiotherapie-Hausbesuchen, Ergotherapie-Hausbesuchen, Logopädie-Hausbesuchen und Podologie-Hausbesuchen (Arbeitszeit) reduzieren in der Regel den durchschnittlichen Umsatz
  • der Umsatz auf der "Gerätefläche" oder bei Gruppenkursen bedarf einer gesonderten Berechnung, da dieser maßgeblich davon abhängt, wie viele zahlende Personen durchschnittlich zu welchem Preis die Dienstleistung nutzen.

Bedenke zudem immer: Therapeut:innen erwirtschaften den ermittelten Stundenpreis meist nicht volle 8 Stunden am Tag. Um Ausfälle, Puffer-Zeiten und Co zu berücksichtigen hast du bereits die prozentuale Verteilung zwischen der Umsatzzeit zur Nicht-Umsatzzeit für die Gesamtberechnung ermittelt.


4️⃣ Jahresumsatz pro Therapeut berechnen

Mit diesen drei ermittelten Werten hast du alles Notwendige zusammen, um den realistisch möglichen Jahresumsatz einzelner Therapeut:innen zu ermittelt.

Hier noch eine Beispielsrechnung anhand der Physio-Musterpraxis:

  • 1620 Arbeitsstunden pro Jahr (40,5 Arbeitswochen * 40 Wochenstunden)
  • 85% Umsatzzeit
  • 87,10 € durchschnittlicher Umsatz pro Stunde

= 1620 h * 85% * 87,10 € = 119.926,70 € möglicher Jahresumsatz je Vollzeit-Therapeut:in

Für Teilzeitkräfte berechnest du von diesem Betrag einfach den Prozentualen Anteil derer Stunden:

  • 30 Wochenstunden = 75 % von 119.926,70 € = 89.945,03 €
  • 20 Wochenstunden = 50 % von 119.926,70 € = 59.963,35 €
  • Etc.

5️⃣ Möglichen Gesamt-Umsatz der Praxis ermitteln

Die Ergebnisse der oben gezeigten Rechnungen multiplizierst du dazu einfach mit der Menge der tätigen Therapeut:innen in deiner Praxis – schon weißt du, in welcher Höhe das Umsatzpotenzial deines Teams, also deiner Praxis liegt.

Beispiel anhand der Zahlen der Physio-Musterpraxis:

  • Dort arbeiten 4 Vollzeit-Therapeut:innen: 4 * 119.926,70 € = 479.706,80 €
  • Und 3 Teilzeit-Therapeut:innen mit 20 Wochenstunden: 3 * 59.963,35 = 179.890,05 €
  • = Zusammen kann das Team potenziell einen möglichen Jahresumsatz von 659.596,85 €  erwirtschaften.
  • Wenn du als Inhaber:in selber auch behandelst, musst du deinen eigenen Umsatz beim möglichen Jahresumsatz der gesamten Praxis natürlich noch hinzurechnen.

Fazit

Für dich und die finanzielle Planung deiner Praxis ist es unerlässlich, den potenziellen Jahresumsatz zu kennen.

Nur damit kannst du mögliche Gehälter und Investitionen realistisch einschätzen und vorplanen.

Bei der Berechnung dessen bedarf es nur wenige Informationen. Diese müssen aber möglichst genau ermittelt werden.

Im Alltag am schwierigsten zu ermitteln ist wohl der tatsächliche Anteil der Umsatzzeit zur Arbeitszeit. Daher ist es absolut empfehlenswert, sich bei der ersten Umsatzkalkulation Unterstützung von Experten einzuholen. 

Wer hier für dich schreibt

Mathias Gans (Ergotherapeut & Unternehmensberater)

Unternehmensberater Mathias Gans weiß aus eigener Erfahrung, wie sich die Herausforderungen im Praxisalltag meistern lassen: Der Betriebswirt ist gelernter Ergotherapeut und Inhaber zweier Praxen in Baden-Württemberg und Bayern.

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